AZ.: |
BVerw.G 3 C 31.93 |
Antrag: |
Ausnahmegenehmigung nach dem Tierschutzgesetz für das Schlachten warmblütiger Tiere ohne vorherige Betäubung |
Urteil: |
Der Antrag wird abgelehnt |
Leitsatz: |
Eine Ausnahme von dem Verbot, warmblütige Tiere ohne Betäubung zu schlachten, kann nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG zum Zwecke der Nahrungsmittelversorgung nur zugelassen werden, wenn objektiv festgestellt wird, daß zwingende Vorschriften einer Religionsgemeinschaft den Genuß von Fleisch nicht geschächteter Tiere verbieten; eine individuelle Glaubensüberzeugung vom Bestehen eines solchen Verbots reicht nicht aus. |
Rechtsquellen
GG Art.3 Abs. 3
Art. 4 Abs. 1 und2
TierSchG § 4a
Stichworte:
Religionsfreiheit
Tierschutz
Schächten
Begründung:
Es sei nicht ersichtlich, daß
zwingende religiöse Vorschriften des Islam die Betäubung der Tiere vor
dem Schlachten verböten. Nach Aussagen maßgeblicher islamischer
Rechtsgelehrter müsse eine Schlachtung nach den Geboten des Islam
lediglich folgende Bedingungen erfüllen:
- Muslimischer Schlachter,
- Schlachten im Namen Allahs,
- Schnelle Durchführung des
Schnitts mit scharfem Messer,
- Tier muß in Richtung Qibla
liegen,
- Tier muß Lebenszeichen
zeigen
Diese Anforderungen seien mit
der Elektrobetäubung erfüllt bzw. zu vereinbaren.
Erklärungen und Fatwas zur
Unterstützung dieser These von:
- Türkische Botschaft Bonn
29.Juli 1982
- Al-Azhar Universität, Kairo
25. Februar 1982
- Religionssachverständiger
und Leiter der Islamischen Gemeinde Hamburg 14. Oktober 1985
- Islamische Rechtsgelehrte bei
einer Konferenz der WHO und der moslemischen Welt-Liga
- Dezember 1985
Konsequenz:
Das Gericht geht davon aus,
daß es keine zwingenden religiösen Vorschriften im Islam gibt, die das
Betäuben vor dem Schächten verbieten.
Der Gläubige, der aus
religiösen Gründen den Verzehr von Fleisch nicht geschächteter Tiere
für verboten hält, muß also im Regelfall in der Bundesrepublik auf
den Genuß von Fleisch verzichten. Dies ist kein Eingriff in die
Religionsausübung, sondern eine Erschwernis der allgemeinen
Lebensführung.
Art. 4 Abs. 2GG -
Religionsfreiheit - greift nicht, weil nicht das rituelle Schächten
anläßlich bestimmter Feste im Streit ist.
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IRH-Projekt
Schächten
Analyse der Ablehnungsgründe
des Urteils vom Bundesverwaltungsgericht ergibt, daß
Die Erlaubnis erteilt werden
kann:
- wenn zwingende Vorschriften
der Religionsgemeinschaft dies vorschreiben
- wenn eine rituelle Handlung
damit verbunden ist - rituelles Schächten beim Opferfest
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April
1996 |
Erster
Antrag (des IAK-Hessen) auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum
Schächten ohne Betäubung am Opferfest eingereicht beim Hessischen
Ministerium für Frauen Arbeit und Sozialordnung. |
Januar
2000 |
bisher
keine Antwort |
1997,
1998 und 1999: |
Verwaltungsverfahrensweg
zu den Opferfesten
-
Anträge von Privatpersonen bei verschiedenen Veterinärämtern in Hessen
- Ablehnungsbescheid
-
Einspruch bei den zuständigen Verwaltungsgerichten
- Eilverfahren bei
Verwaltungsgerichten: Wiesbaden, Frankfurt, Darmstadt und Gießen
-
Ergebnis:
Die Klagen werden von
allen Gerichten abgewiesen. |
Opferfest
1997 |
Verwaltungsgericht
Gießen gibt der Klage erstmals statt, Erlaubnis zum Schächten am Opferfest
erteilt Aufheben der Erlaubnis durch Oberverwaltungsgerichtshof in
Kassel nach 1 Tag. Keine Weiterführung als Hauptsacheverfahren |
Nachteil
des Verwaltungsverfahrenswegs :
Erlaubnis gilt nur für
den jeweiligen privaten Antragsteller, nicht für alle Muslime.
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IRH
Feststellungsklage
Verwaltungsgericht Darmstadt
AZ.: 3 E 2064 / 98 (3)
Feststellungsklage
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15.
Nov. 1997 |
Gründung
der IRH, Wahl eines Interimsvorstandes und Konstituierung eines
Fiqh-Rates |
März
1998 |
Fiqh-Rat
der IRH verabschiedet Fatwa Nr.1/98 zur korrekten Durchführung
der rituellen Schlachtung der Opfertiere am Opferfest |
26.
April 1998 |
1.
Mitgliederversammlung der IRH mit Wahl des Vorstandes, Beschluß über
Projekte u.a. Beschluß zum Projekt Schächten |
Mai
1998 |
Vorstandsbeschluß
über Annahme der Fatwa des Fiqh-Rates vom März 98 |
30.9.1998 |
Feststellungsklage
der IRH als
Religionsgemeinschaft und Körperschaft des Privatrechts gegen das Land Hessen vor Verwaltungsgericht Darmstadt für
das Opferfest 1999 |
Klage-Wortlaut:
Es soll festgestellt werden, daß das Land Hessen verpflichtet ist, der
IRH für rituelle Schächtungen warmblütiger Tiere während des
alljährlichen Opferfestes eine Ausnahmegenehmigung nach § 4a Abs. 2
Nr.2 TierSchG zu erteilen. Die Klage bezieht sich dabei ausschließlich
auf das Schächten von Opfertieren während der rituellen Handlungen im
Rahmen des Opferfestes, nicht auf das Schächten von Tieren zur
Fleischgewinnung für Ernährungszwecke.
Anlage zur Klageschrift:
Fatwa des Fiqh-Rates der IRH: "Das Schächten zum Opferfest ist für
IRH-Mitglieder
eine zwingend vorgeschriebene rituelle Handlung, die nur ohne Betäubung
durchgeführt werden darf."
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Juli
1999 |
Das
Land Hessen beantragt die Klage abzuweisen. |
03.
02. 2000 |
Antrag der IRH die Klage wegen des laufenden Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht zur gleicher Fragestellung ruhen zu lassen. |
03.02.2000 |
Antrag der IRH die Klage wegen des laufenden Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht zur gleicher Fragestellung ruhen zu lassen. |
18.02.2000 |
Verw.G Darmstadt nimmt Antrag an – Verfahren ruht |
Mai
2000 |
Verfahren
ruht noch |
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IRH-Verwaltungsverfahrenweg
bis zum Urteil des VerwG Darmstadt vom 09.09.1999
Verwaltungsgericht Darmstadt
AZ.: 3 E 916 / 99 (3) IRH ./. Land Hessen
AZ.: 3 E 952 / 99 (3) Özcan ./. Land Hessen und
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09.02.1999 |
Zwei
getrennte Verwaltungsverfahren:
-
Antrag von IRH als Institution und
-
Antrag von einem Vorstandsmitglied der IRH als Privatpersonen beim
Veterinäramt
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23.02.1999 |
Ablehnungsbescheide
für beide |
11.03.1999 |
Widerspruch
gegen beide Ablehnungsbescheide |
16.03.1999 |
Eilverfahren
beim VerwG Darmstadt auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung |
24.03.1999 |
Ablehnung
der Eilverfahren durch VerwG Darmstadt zum Opferfest 1999, mit der
Begründung den strittigen Sachverhalt des Feststellungsverfahrens nicht
vorweg nehmen zu können.
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In
den Ablehnungsbescheiden wird vom VerwG Darmstadt folgendes
festgestellt:
IRH ist eine
Religionsgemeinschaft im Sinne von § 4a TierSchG
IRH ist richtungsweisend in religiösen Fragen für die ihr angehörenden
Muslime verschiedener Rechtsschulen und somit eine eigene Religionsgemeinschaft.
IRH hat glaubhaft gemacht,
daß Schächten zum Opferfest ohne Betäubung durchgeführt werden
muß
Die Fatwa zum rituellen Opfern ohne Betäubung steht zwar im Widerspruch zu
anderen Meinungen, stellt aber für die Mitglieder der IRH eine verbindliche
Glaubensvorschrift dar, deren Wertung vom Gericht nicht zu überprüfen ist.
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Bemängelt
wurde vom Verw.G folgendes:
Die IRH habe nicht dargelegt,
ob das rituelle Schächten zum Opferfest eine zwingende Pflicht für die
Mitglieder ist.
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Mai
1999 |
Fiqh-Rat
der IRH verabschiedet Fatwa Nr.1/99 zur Notwendigkeit der
Durchführung der rituellen Schlachtung der Opfertiere am Opferfest |
16.05.1999 |
2.
Mitgliederversammlung der IRH. Beschluß der MV über Annahme der Fatwa
des Fiqh-Rates vom Mai 99 |
04.06.1999 |
Antrag auf Fortsetzungfeststellungsverfahren/
Hauptsacheverfahren beim Verw.G Darmstadt in Sache IRH gegen Land Hessen
sowie in der Sache Vorstandsmitglied der IRH gegen Land Hessen.
Anlage zu den Klageschriften:
Fatwa des Fiqh-Rates der IRH: "Das Opfern eines Opfertieres zum
Opferfest ist für IRH-Mitglieder eine religiöse Pflicht."
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Verwaltungsgericht Darmstadt
AZ.: 3 E 916 / 99 (3)
1999 Fortsetzungsfeststellungsklage der IRH als Religionsgemeinschaft und Körperschaft des Privatrechts gegen das Land Hessen vor Verwaltungsgericht Darmstadt für das Opferfest 1999
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August
1999 |
Das Land Hessen beantragt die Klage abzuweisen, mit der Begründung, die Legitimation der IRH sei nicht bewiesen. |
03.02.2000 |
Antrag der IRH, die Klage wegen des laufenden Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht zur gleichen Fragestellung ruhen zu lassen. |
18.02.2000 |
VerwG Darmstadt nimmt Antrag an – Verfahren ruht |
02.02.2001 |
Antrag der IRH auf Wiederaufnahme des Verfahrens IRH ./. Land Hessen wegen Revisionsentscheidung des BverwG vom November 2000/ Begründung vom Januar 2001 |
22.02.2001 |
Verwaltungsgericht Darmstadt lehnt den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens IRH ./. Land Hessen unter Hinweis auf das laufende Verfahren Özcan ./. Land Hessen (s.u.) ab, das zunächst weiterbearbeitet und zu einem Abschluß gebracht werden soll. |
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Verwaltungsgericht Darmstadt
AZ.: 3 E 952 / 99 (3) Özcan ./. Land Hessen und
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09.09.1999 |
Verhandlung
im
Fortsetzungfeststellungsverfahren/
Hauptsacheverfahren in der Sache Vorstandsmitglied
der IRH gegen Land Hessen vor dem VerwG Darmstadt (AZ.: 3 E
952/99 (3)
Ergebnis: Der Klage wird
stattgegeben "Es wird festgestellt, daß der Beklagte (das Land
Hessen) verpflichtet ist, dem Kläger (Vorstandsmitglied der IRH) die
Genehmigung nach §4a Abs. 2 Nr.2.1 Alt.Tierschutzgesetz zu
erteilen". Die Sprungrevision wird zugelassen.
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Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht Berlin
AZ.: BverwG 3 C 40.99
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Dezember
1999 |
Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin beantragt
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Januar
2000 |
Revisionsbegründung eingereicht vom Land Hessen
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März
2000 |
Revisionsbegründung eingereicht von der IRH
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August
2000 |
vorgesehener Termin der mündlichen Verhandlung vom 07.September wird verschoben auf Oktober
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19.10.2000 |
Mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin ohne Urteilsverkündung. Termin für Urteilsverkündung wird festgelegt auf 23. 11.2000.
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23.11.2000 |
Mündliche Urteilsverkündung
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18.01.2001 |
Übersendung der schriftlichen Urteilsbegründung
Bundesverwaltungsgericht Berlin
Urteil vom 23.November 2000 – BverwG 3 C 40.99
Sachgebiet: Tierschutzrecht
Rechtsquellen: GG Art.4,140 / WRV Art.136 Abs:1 /TierSchG §§1,4a
Stichworte: Schächten, betäubungsloses Schlachten, Religionsgemeinschaft, zwingende Vorschriften einer Religionsgemeinschaft, Ausnahmegenehmigung für betäubungsloses Schlachten, Islam, Muslime und Schächtgebot.
Leitsätze:
1. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten nach §4aAbs.2Nr.2 1.Alt.TierSchG setzt voraus, dass der Antragsteller einer durch gemeinsame Glaubensüberzeugungen verbundenen Gruppe von Menschen angehört, die das betäubungslose rituelle Schächten als für sich zwingend hält.
2. Die Zugehörigkeit zu einem alle Richtungen des Islam zusammenfassenden islamischen Regionalverband rechtfertigt die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nicht.
Urteil des 3.Senats vom 23.November 2000 – BverwG 3 C 40.99
I.VG Darmstadt vom 09.09.1999 – Az.: VG 3E952/99 (3)
Urteil
Özcan ./ Land Hessen
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 9.Septemebr 1999 insoweit aufgehoben, als es der Klage stattgegeben hat.
Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Darmstadt zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe: 13 Seiten
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22.02.2001 |
Nachricht des Verwaltungsgerichts Darmstadt, Akten vom BverwG Berlin liegen wieder vor.
Aufforderung des VerwG Darmstadt an die IRH zur Stellungnahme zu bestimmten Fragen bis Mai 2001.
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IRH-Verwaltungsverfahrenweg
nach
dem Urteil des VerwG Darmstadt
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Eilverfahren Opferfest 2000 |
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12.01. 2000
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Verwaltungsverfahren: Antrag von
einem IRH-Mitglied als Privatpersonen beim Veterinäramt
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Februar 2000
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Ablehnungsbescheid vom
Veterinäramt
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März
2000 |
Antrag
auf Eilverfahren beim VerwG Darmstadt auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung |
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Verwaltungsgericht Darmstadt
Az.: 3 G 585/00 (3)
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10.03.2000
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Eilverfahren beim
VerwG Darmstadt (Az.: 3 G 585/00 (3).
Erlaubnis zum Schächten zum
Opferfest 2000 wird erteilt.
Wortlaut des Urteils: „Der Antragsgegner
(das Land Hessen) wird verpflichtet, dem Antragsteller (IRH-Mitglied)
für das diesjährige islamische Opferfest vom 16. bis 19. März 2000
eine Ausnahmegenehmigung nach § 4a Abs. 2 Nr.2 TierSchG für das
rituelle Schächten eines warmblütigen Opfertieres (ein Schaf) zu
erteilen.“
In der Urteilsbegründung wird vom VerwG Darmstadt zum zweiten Mal
festgestellt:
IRH ist eine Religionsgemeinschaft im Sinne von § 4a TierSchG
IRH ist richtungsweisend in religiösen Fragen für die ihr
angehörenden Muslime verschiedener Rechtsschulen und somit eine eigene
Religionsgemeinschaft.
IRH hat glaubhaft gemacht, daß das
Schächten zum Opferfest ohne Betäubung durchgeführt werden muß
IRH hat glaubhaft gemacht, daß zum Opferfest ein Opfertier
geschlachtet werden muß.
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Kassel
Az.: 11 TG 990/00
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16. 03. 2000 |
Revision beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof Kassel (AZ.: 11 TG
990/00)
Beschwerde gegen den Beschluß des VerwG Darmstadt vom 10.03. durch
das Land Hessen.
Erlaubnis zum Schächten wird wieder entzogen.
Wortlaut des Urteils: „Der Antrag des Antragstellers (IRH-Mitglied)
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung wird abgelehnt“
In dem Ablehnungsbescheid wird vom VerwGH Kassel festgestellt:
IRH ist eine Religionsgemeinschaft im Sinne von § 4a TierSchG
IRH ist richtungsweisend in religiösen Fragen für die ihr
angehörenden Muslime verschiedener Rechtsschulen und somit eine eigene
Religionsgemeinschaft.
Zweifel bestehen jedoch laut VerwGH ob die IRH nach innen in der Lage
sei, ihre Mitglieder zwingenden Vorschriften zu unterwerfen.
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Bundesverfassungsgericht Karlsruhe
Az.: 1BvR 732/00
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25.04.2000 |
Verfassungsbeschwerde der IRH gegen den im Eilverfahren ergangenen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Kassel vom 16. März 2000. (AZ.: 1 BvR 732/00)
20.09.2000 Bundesverfassungsgericht nimmt die Klage aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung an.
Begründung: Die Annahmevoraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Rechtsweg nicht ausgeschöpft ist, mittels einer Fortsetzungsfeststellungsklage im Hauptsacheverfahren.
Eine derartige Klage wird beim Verwaltungsgericht Darmstadt AZ.: 3 E 952 / 99 (3) in einem Parallelverfahren betrieben.
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